Sicherheitsfälltechnik

In der Motorsägenausbildung wird seit einiger Zeit zunehmend die Sicherheitsfälltechnik vorgestellt. Diese Fälltechnik wurde ursprünglich als sogenannter Kastenschnitt von den Teilnehmern der Waldarbeitsmeisterschaften entwickelt. Durch eine Kombination von Vorhängertechnik, Kastenschnitt und dem situationsabhängigen Einsatz eines Alukeils stellt diese Fällmethode „eine“ Technik für viele Fällsituationen dar. Die Sicherheitsfälltechnik ist eine für semiprofessionelle Anwender modifizierte Form des Kastenschnittes und wird Ihnen in diesem Artikel Schritt für Schritt erläutert.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklungsgeschichte

Bei den Waldarbeitsmeisterschaften wird nach der Fällung der Wurzelstock genau analysiert. Durch Vermessen von Fallkerbtiefe sowie Bruchleiste und Bruchstufe wird eine Gesamtpunktzahl ermittelt. Je höher die Präzision, desto größer die Gesamtpunktzahl.

Da aber ein Baumstamm normalerweise keinen kreisrunden (und schon gar nicht rechtwinkeligen) Umfang aufweist ist es ausgesprochen schwierig, präzise Sicherheitselemente wie Bruchleiste und Bruchstufe „rein visuell“ auszuformen. Das Problem dürfte all denjenigen bekannt sein, die nach der Fällung Ihr eigenes Schnittbild reflektieren.

Daher gehen die Meisterschaftsteilnehmer seit einigen Jahren mit Ihren meist sehr leistungsstarken und gut geschärften Motorsägen dazu über, den Bereich des Stammfußes wie einen Kasten ganz eckig zu schneiden. Die symetrische Form des Stammfußes ermöglicht den Teilnehmern eine bessere visuelle Einschätzung von Bruchleiste und Bruchstufe. Gleichzeitig wird der Stammfußdurchmesser reduziert und der Fällschnitt kann dadurch als Stechschnitt von einer Seite aus komplett fertig gestellt werden. Die Ausformung eines Haltebandes verhindert zusätzlich eine unbeabsichtigte bzw. verfrühte Fallbewegung des Baumes. Durch die Form erhielt die Technik letztendlich ihren Namen, der so genannte Kastenschnitt war geboren.

Die Waldarbeitsschulen und forstlichen Bildungszentren haben diesen sogenannten „Kastenschnitt“ in der letzten Zeit verstärkt im Rahmen der Motorsägenausbildung vorgestellt. Ein Video der Landwirtschaftlichen Berufsgenosschenschaft zum Ablauf des Kastenschnittes haben wir unter weitere Informationen für Sie verlinkt.

Anpassung an semiprofessionelle Anwender

Beim Kastenschnitt ist das Zuschneiden des Stammfußes sehr aufwendig und erfordert eine leistungsstarke und scharfe Säge sowie eine präzise Ausführung der einzelnen Schnitte. Die Wettkampfteilnehmer verfügen zum einen über solche Sägen und üben zum anderen diese Technik regelmäßig. Häufig sind diese Vorraussetzungen aber bei den privaten Brennholzselbstwerbern nicht gegeben. Die Sicherheitsfälltechnik als modifizierte Form der Kastenschnitttechnik unterscheidet sich in der Hauptsache darin, dass das aufwendige Beschneiden des Stammfußes wegfällt und stattdessen bei der Sicherheitsfälltechnik sofort mit der Fallkerbanlage begonnen wird. Erst danach werden die schräg verlaufenden Fasern der Wurzelanläufe mit weniger Aufwand entfernt. Durch eine umfassende Markierung der Schnittführung wird ein zusätzliches Plus an Arbeitssicherheit erreicht.

Arbeitsablauf

Bitte beurteilen Sie sorgfältig vor der Sägenarbeit den Baum. Beurteilen Sie die Stamm- und Kronenausformung und entscheiden Sie sich nach reiflicher Beobachtung der Umgebung für eine präzise Fällrichtung. Achten Sie auf Totholz! Beobachten Sie den Gefahrenbereich und sperren Sie bei Bedarf Waldwege fachgerecht ab. Räumen Sie vor Beginn der Arbeit die Rückweichen frei. Denken Sie währen der Fällung an die Fallbereichskontrolle und den Achtungsruf!

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1. Schritt

Sie beginnen mit der Anlage der Fallkerbe. Richten Sie die Säge „genau“ in Fällrichtung aus. Schneiden Sie präzise ein Fallkerbmaul mit einem Öffnungswinkel von 45-60 Grad aus dem Stammfuß heraus. Ich empfehle meinen Teilnehmern, die Säge eher steiler, also eher mit 60 Grad an den Stamm zu halten. Dadurch schneidet man nicht zu schnell und vor allem zu tief in die Stammwalze ein und der Baum wird bei der Fallbewegung länger geführt. Achten Sie auf eine „waagerechte“ Fallkerbsohle. Lesen Sie hierzu bei Bedarf unseren Artikel „Grundlagen der Fälltechnik“.

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2. Schritt

Besäumen Sie im nächsten Arbeitsgang die seitlichen Flanken des Baumes. Gehen Sie dabei „effizient“ vor, d.h. setzen Sie die Säge nur so hoch wie nötig an, damit anschließend Bruchleiste und Bruchstufe mit Kreide markiert werden können.

Wichtig! Besäumen Sie die Flanken möglichst rechtwinkelig zur Fallkerbsehne. Hier empfehle ich, sich vor den Baum bzw. vor das Fallkerbmaul zu stellen und von dort rechts und links die Flanken beizuschneiden. So kann man sehr präzise mit der Säge den rechten Winkel einhalten.

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3. Schritt

Im nächsten Arbeitsschritt machen Sie die Säge aus. Messen Sie, z.B. mit einer Kluppe, den Stammdurchmesser und markieren Sie sich anschließend mit Kreide und einem geeigneten Hilfsmittel die Bruchleistenstärke (mind. 1/10 des Stammdurchmessers) und die Bruchstufenhöhe (mind. 1/10 des Stammdurchmessers, mind. 3 cm). Anschließend empfehle ich, die Höhe und den Verlauf des Fällschnittes mit einer langen waagerechten Markierung auf „beiden“ Stammseiten zu visualisieren. Markieren sie sorgfältig und gut sichtbar! Nach meiner Erfahrung ist eine gute, beidseitige Markierung, an der man sich beim Schneiden orientieren kann, eine sehr gute Hilfe für den Motorsägenführer.
Wenn ein Zimmermann einen Sparren passgenau zuschneiden will, markiert er sich den vorher auch mit Winkel und Bleistift. Warum sollten wir es im Wald also nicht auch so machen?

Einen ausführlichen Bericht über das im Film gezeigte „Fälllineal“ (Gebrauchsmusterschutz beantragt) und über andere Fällhilfen werden wir Ihnen hier in Kürze auf www.motorsägenkette-schärfen.de vorstellen.

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4. Schritt

Stechen Sie im nächsten Arbeitsschritt mit der Motorsäge in den Stamm ein und schneiden Sie, bis dass die Säge auf der anderen Seite herauskommt weiter. Achtung! Der erste Stechschnitt ist bereits ein Fällschnitt, d.h. schon jetzt muss ein Warnruf „Achtung, Baum fällt!“ erfolgen. Stechen Sie nicht zu weit vorne (an der Bruchleiste entlang) oder zu weit hinten ein, sondern setzen Sie die Säge in der Mitte des Fällschnittbereiches an. Nach dem Einstechen richten Sie die Säge „sofort“ parallel zur Fallkerbsehne aus. So vermeiden Sie, dass Sie unbeabsichtigt die Bruchleiste durchtrennen. Wichtig! Halten Sie die Säge waagerecht, damit auch auf der gegenüberliegenden Stammseite die Bruchstufe korrekt ausgeführt wird.

Nachdem Sie die Säge komplett ein- bzw. durchgestochen haben, schneiden Sie auf „Ihrer“ Seite vor bis zur Bruchleistenmarkierung. Fixieren Sie anschließend die Säge mit dem Krallenanschlag und beugen Sie sich um den Stamm herum und beobachten die Säge auf der gegenüberliegenden Seite. Schneiden Sie jetzt mit der Schienenspitze bis zur zweiten Markierung vor. Ist Ihre Schienenlänge kleiner als der Baumdurchmesser, wiederholen Sie den Ablauf der Stechschnitte auf der anderen Seite. Wichtig: Die beiden Schnitte müssen sich in der Höhe nicht zwingend treffen, jedoch müssen sie sich überlappen. Es darf keine „Holzbrücke“ entstehen. Ist der Baum stärker als die doppelte Schnittlänge Ihrer Säge, können Sie die Technik nicht anwenden!

Anschließend schneiden Sie mit der Säge „parallel“ zur Bruchleiste nach hinten zurück. Belassen Sie am hinteren Stammumfang ein „Halte- oder Stützband“, das ausreichend stark ist. Leider kann man keine genauen Angaben zur Stärke machen, da diese je nach Baumdurchmesser und Baumneigung variieren sollte bzw. muss. Als Faustformel gilt: „Das Halte- oder Stützband sollte so dick wie nötig, aber so dünn wie möglich sein!“

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Zur Erläuterung

Hängt der Baum in Fällrichtung nach vorne, spricht man von einem Halteband!
Steht der Baum lotrecht oder neutral bzw. hängt leicht nach hinten, also entgegengesetzt zur Fällrichtung, spricht man von einem Stützband!

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5. Schritt

Im nächsten Arbeitsgang kommen die Alu-Fällkeile zum Einsatz. Beim lotrecht bzw. neutral stehenden Baum und beim Rückhänger werden jetzt je nach Baumstärke 1 oder 2 Alukeile fest eingeschlagen. Setzten Sie die Keile in Fällrichtung an und halten Sie ausreichend Abstand zum Stützband, damit dieses im Anschluss noch problemlos mit der Motorsäge durchtrennt werden kann.

Jetzt zeigt sich auch, warum die Technik „Sicherheitsfälltechnik“ heißt! Der Baum ist nach wie vor fest mit der Wurzel verankert und dennoch mehr oder weniger fertig abgeschnitten. Durch die kontrollierte Arbeitstechnik wird eine präzise Ausformung der Bruchleiste und –stufe erreicht. Der Baum kann sich nicht vorzeitig in Bewegung setzten. Ebenso wenig kann er während des Sägevorganges zurückkommen und die Säge einklemmen. Der Sägenführer kann relativ entspannt alle sicherheitsrelevanten Schnitte führen. Hektik, Stress und ungeplante Situationen treten bei dieser Technik deutlich seltener auf.

Nachdem Sie den Gefahrenbereich sorgfältig kontrolliert haben erfolgt der Warnruf „Achtung, Baum fällt!“. Im Anschluss daran durchtrennen Sie das Halte- oder Stützband. Stellen Sie sich hierzu seitlich hinter den Baum und schneiden mit Vollgas in der „Angsthasenstellung“ (stehend und mit ausgestreckten Armen, also so weit vom Stamm entfernt wie möglich) das Halteband durch. Bei Vorwärtshängern durchtrennt man das Halteband schräg von hinten. Bei lotrecht oder neutral stehenden Bäumen bzw. bei Rückhängern kann man das Stützband auch waagerecht von hinten nach vorne durchtrennen. So lässt sich anschließend bei Bedarf noch ein weiterer Alukeil dort eintreiben. Bleibt der Baum auf den Alukeilen stehen, schlagen Sie die unverzüglich mit dem Spalthammer weiter ein, bis das die Fallbewegung einsetzt.

Sobald der Baum fällt treten Sie bitte auf der Rückweiche so weit zurück dass für Sie keine Gefahr mehr durch herabfallend Äste aus dem Kronenbereich besteht. Beobachten Sie aufmerksam die sich bewegenden Baumkronen und treten Sie erst nach Kronenberuhigung an den Stammfuß zur weiteren Aufarbeitung heran.

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Vorteile der Sicherheitsfälltechnik

  • Das Beschneiden der Flanke entfernt die schräg verlaufenden Faserpartien und erhöht die Übersichtlichkeit.
  • Das Markieren der Schnittführung erhöht die Präzision deutlich.
  • Die Sicherung mittels Halte- oder Stützband reduziert die Gefahr durch vorzeitige Baumbewegung fast ganz und reduziert den Stress bei der Fällung.
  • Durch den frühzeitigen Keileinsatz ist ein Zurückneigen des Baumes nahezu ausgeschlossen.
  • Mit dem Durchrennen des Haltebandes bestimmen Sie den Start der Fallbewegung. Unvorhergesehene Situationen werden stark reduziert.
  • Durch die "Angsthasenstellung" können Sie sich schneller aus der Kronenprojektionsfläche entfernen und sind dadurch schneller in Sicherheit.
  • Mit dieser Technik lassen sich ca. 8-9 von 10 Baumfällsituationen bewältigen. Eine Technik für viele Anwendungen.
  • Nach Unterweisung stellt sich relativ schnell, meistens schon nach 2-3 Bäumen, ein deutlicher Erfolg hinsichtlich der präzisen Ausführung und der Arbeitssicherheit ein.

Nachteile der Sicherheitsfälltechnik

  • Das Stechen mit der Motorsäge kann Rückschlag verursachen. Setzen Sie die Säge daher immer mit der Unterseite des Umlenksternes an das Holz an.
  • Trotz Markierung müssen Sie immer noch präzise mit der Säge umgehen. Die Technik erfordert also eine gewisse Grundfertigkeit im Umgang mit der Motorsäge.
  • Die Technik ist erst ab einem Baum- bzw. Stammfußdurchmesser von ca. 25-30 cm anwendbar. Ist der Stammdurchmesser dünner, besteht die Gefahr, das beim Stechschnitt die Säge entweder das Halte-/Stützband oder im vorderen Bereich die Bruchleiste schwächt bzw. sogar tot schneidet.

Fazit!

Die Sicherheitsfälltechnik hat einen deutlichen Zugewinn in punkto Arbeitssicherheit für den Anwender gebracht. Ich selbst habe bei vielen Lehrgangsteilnehmern nach der Vorführung und einigen Korrekturen sehr gute Arbeitsergebnisse feststellen können. Die Technik hat mittlerweile auch bei den Profis der Waldarbeit Einzug gehalten und wird von den Forstwirten gerne angewendet. Dennoch solle man bedenken, dass Waldarbeit prinzipiell gefährlich ist und eine gute Ausbildung an der Motorsäge unerlässlich ist. Beachten Sie immer die Unfallverhütungsvorschriften und tragen Sie unbedingt bei der Arbeit mit der Motorsäge die persönliche Schutzausrüstung.

Viel Erfolg und unfallfreies Arbeiten wünscht Ihnen das Team von www.motorsägenkette-schärfen.de.

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